von Hendrik Scheider
In acht Kapiteln umkreist der Autor der voraussichtlich 2004 erscheinenden
Publikation "The Success of Open Source"1 das Softwareentwicklungs-
und Eigentumsmodell Open Source. Mit einer fachübergreifenden
Analyse, die nicht nur auf der Informatik fußt, sondern auch auf
Soziologie, Politologie, Ökonomik und Philosophie, leistet Weber
zweierlei. Sowohl erklärt er das empirische Phänomen, dass es
ein loser Verbund von professionellen Programmierern und Hobbyisten geschafft
hat, wertvolle und komplexe Software hervorzubringen in einer weltweit
einmaligen kollektiven Anstrengung. Doch er verallgemeinert auch den Ansatz
im Sinne einer echten Theorie, die mehr leisten muss, als das Erscheinungsbild
zu umfassen, aus dem sie abgeleitet wurde.
So liegt auch die Vermutung nahe, dass Weber kein Informatiker ist. Und
in der Tat sieht er die Informatik und ihre Begleiterscheinungen allein
als Gegenstand der Betrachtung. Seinen ersten akademischen Grad erwarb
Weber in Geschichte, nachdem er in Mathematik gescheitert war. Anschließend
ging er auf die Medical School in Stanford, wo ihm die wissenschaftlich-theoretische
Arbeit der ersten Jahre gefiel. Doch die praktisch orientierten höheren
Semester ließen ihn sich erneut umorientieren, sodass er schließlich
eher zufällig beim Institut für Politikwissenschaften landete.
Ganz offensichtlich ein glücklicher Zufall, denn 1989 wurde ihm dort
der Doktortitel verliehen.
Heute doziert Professor Weber an der Universität von Kalifornien,
Berkeley, und sein besonderes wissenschaftliches Interesse gilt der internationalen
politischen Ökonomie, dem politischen und sozialen Wandel in der
"new economy" und der europäischen Integration. Zu seinen
Publikationen zählen unter anderem das von ihm herausgegebene Buch
"Globalisierung und die europäische politische Ökonomie"
(erschienen bei Columbia University Press) sowie zahlreiche Artikel zur
amerikanischen Außenpolitik, der politischen Ökonomie
von Handel und Finanzen, der politischen Landschaft nach dem Kalten Krieg
und zur Europäischen Integration. Außerdem war er wissenschaftlicher
Berater der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.
Mit GNU/Linux und damit der Entwicklungsphilosophie Open Source kam Weber
zum ersten Mal 1999, also aus computerhistorischer Sicht recht spät,
in Berührung. Der Bottom-up-Ansatz und das kollektive Leistungsvermögen
bei scheinbar gänzlich fehlender institutionalisierter Kontrolle
haben ihn sogleich fasziniert, sodass er begann, nicht nur Linux, sondern
auch die vielen anderen wichtigen Projekte näher zu betrachten.
Und bei der empirischen Aufarbeitung des Phänomens kam ihm als Historiker
gelegen, dass die community ihre Kommunikation minutiös in Log-Dateien
und E-Mails archiviert... (Auszug)
Hendrik Scheider studiert Informatik sowie systematische Sprachwissenschaft und Mediensemiotik an der TU Berlin. Er hat an der weltweit beachteten Studie "Who Is Doing It?" zur Motivation von Libre-Software-Entwicklern mitgearbeitet. Seine Diplomarbeit trägt den Titel "Eine Ausführungsumgebung für Mobile Java im Rahmen interaktiver Gerätesimulationen." Als Software-Entwickler arbeitet er in einer auf Simulationen und Fragen der Handhabbarkeit mobiler Endgeräte spezialisierten Firma.