von Andreas Wiebe
I. Einleitung
Fast alle Schutzsysteme des Immaterialgüterrechts lassen sich für
den Schutz von Software nutzbar machen. Bereits seit Beginn der Verbreitung
der Computertechnik standen das Urheberrecht und das Patentrecht
im Vordergrund. Dabei zeichnete sich schnell ein Trend zum Urheberrecht
als primärem Schutzrecht ab, der durch die Richtlinie zum Urheberrecht
von 1991 und die darauf folgende Harmonisierung in Europa verfestigt
wurde. In den neunziger Jahren wurde in den USA neben dem Know-how-Schutz
auch verstärkt der Patentschutz für Software genutzt, was vor
allem im Bereich geschäftlicher Anwendungen zu einigen sehr breiten
Patenterteilungen führte.
Dies hat, vor allem auf der Seite der Open-Source-Bewegung, die Befürchtung
geweckt, dass auch in Europa eine breite Patentierung von Software erfolgen
könnte. Wegen der gegenüber dem Urheberrecht andersartigen
Ausgestaltung hinsichtlich Schutzgegenstand und -umfang ist es nicht
nur zweifelhaft, ob sich der Patentschutz in gleicher Weise für
das Open-Source-Modell nutzbar machen lässt, sondern es stellt
sich darüber hinaus die Frage, ob nicht die Ausweitung des Patentschutzes
auf Computerprogramme Open Source als Entwicklungs- und Vertriebsmodell
grundsätzlich ebenso wie im Einzelfall unmöglich macht.
II. Software als technisches Produkt
1. Patentrecht als Alternative zum Urheberrechtsschutz
Nun lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass beide
Schutzsysteme eine "friedliche Koexistenz" führen können.
Die bisherigen Abgrenzungsversuche konzentrierten sich in Deutschland
und Europa auf das Erfordernis der Technizität. Das Problem liegt
jedoch darin, dass Software eine "Doppelnatur" aufweist. Der
Entwicklungsprozess von Software beinhaltet die Entwicklung einer Lösung
für ein bestimmtes Problem mit zunehmendem Konkretisierungsgrad.
Dabei entstehen verschiedene "Zwischenprodukte" bis hin zum
lauffähigen "Endprodukt", dem Objektformat. Soweit dabei
in einer Programmiersprache erstellte Konstrukte betroffen sind,
sind diese als Ausdrucksformen geistigen Schaffens dem Urheberrecht zuzuordnen.
Soweit es jedoch um die Funktionalität des "Running Code"
geht, also seine "Bestimmung", im Zusammenwirken mit einer
Hardware bestimmte Aufgaben zu bewältigen, lässt sich dieser
Aspekt dem Patentrecht zuordnen.
Andreas Wiebe, Prof. Dr. iur., LLM, ist Leiter der Abteilung für Informationsrecht und Immaterialgüterrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Hannover und in den USA, wo er zusätzlich zum juristischen Staatsexamen den Grad des Master of Law erwarb, promovierte er 1991 in Hannover zum Thema "Der wettbewerbsrechtliche Schutz von Computersoftware in Deutschland und den USA. Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Know-how-Schutzes." Von 1990 bis 2001 war er als Akademischer Rat und wissenschaftlicher Assistent am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover tätig. 2001 habilitierte er sich zum Thema "Die elektronische Willenserklärung - Rechtsgeschäftliche Grundlagen des elektronischen Geschäftsverkehrs." Seit 2002 ist er Professor für Privatrecht, insbesondere Informationsrecht und E-Commerce-Law an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind das EDV- und Informationsrecht sowie Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. In den letzten Jahren stand dabei die Auseinandersetzung mit den Rechtsproblemen des Internet und des elektronischen Geschäftsverkehrs im Vordergrund.