Vom spielerischen Ernst des Programmierens

von Uli Zappe

A part we offer is our only freedom
Jon Anderson, Tales from Topographic Oceans


1. Gerechtigkeit in einer Welt beliebig rematerialisierbarer Güter

1.1. Ein Gedankenexperiment

Als die Autoren der später zum Kult gewordenen TV-Serie Star Trek das Handlungsgerüst für die Sendung entwarfen, unterlief ihnen ein bemerkenswerter Denkfehler. Nicht, dass das "Beamen" (also das instantane Rematerialisieren einer Person an einem anderen Ort) als solches unvorstellbar wäre - wie uns Wissenschaftsgeschichte und -theorie gelehrt haben, können wir einzig im Reich der Mathematik beweisen, dass etwas auf ewig unmöglich bleibt.

Aber wenn es denn machbar sein sollte, Materie in Energie samt der zugehörigen Information über die Struktur der Materie hin- und sodann wieder in die nämliche Materie zurückzuverwandeln, so wäre es, entsprechende Energiereserven vorausgesetzt, offenkundig ein Leichtes, aus der einmal Information gewordenen Materie selbige in mehrfacher Form zurückzugewinnen: denn ein Bauplan verbraucht sich nicht, wenn ihm gemäß etwas gebaut wird. Nun soll es hier nicht um die Frage gehen, ob ein mehrfach rematerialisierter Mr. Spock mit der Vulkanierwürde zu vereinbaren wäre - oder auch nur wünschenswert für die restlichen Crew-Mitglieder der Enterprise. Entscheidend ist vielmehr der Punkt, dass das "Beamen" - konsequent durchdacht - das Ende allen materiellen Mangels gewesen wäre, da beliebige Bedarfsgüter, einmal in Information gewandelt, beliebig (im Rahmen der Energiereserven) sich hätten vervielfältigen lassen.

Warum haben die Autoren von Star Trek vor dieser Konsequenz zurückgeschreckt und aus dem "Beamen" nicht mehr gemacht als eine futuristische Variante der Deutschen Bahn AG? Es steht zu vermuten, dass eine solche Welt zu radikal anders als die unsere wäre, um zur Erbauung im Vorabendprogramm einer Fernsehanstalt zu taugen. Im Selbstverständnis der Moderne seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert konstituiert nicht mehr der Staat die (bürgerliche) Gesellschaft im Namen einer höheren Ordnung; es ist der Markt, der den Kitt der Gesellschaft bildet, jener Ort, an dem knappe, jedenfalls nicht in beliebiger Menge verfügbare Güter auf Grund eben ihrer Knappheit, und an ihr parametrisiert, von den Mitgliedern der Gesellschaft getauscht werden: was wissen wir schon über eine Welt, in der es diese Knappheit nicht gäbe?

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Uli Zappe studierte Philosophie, Soziologie, Psychoanalyse, Physik und Theaterwissenschaft. Er arbeitet an Projekten aus den Bereichen Philosophie, Musik, Film/Theater und Freie Software.



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