von Clemens Brandt
Ein Artikel aus dem Open Source Jahrbuch 2005, Kapitel Open Content. Lizenzierung:
1. Einleitung zum "Kapitel" Open Content
Zwei kleine Jungen tauschten Spielzeuge und beide gingen mit jeweils
einem Spielzeug nach Hause. Zwei weise Männer tauschten Ideen und
beide gingen mit jeweils zwei Ideen nach Hause.
Dass Open Source nicht nur mit Computerprogrammen etwas zu tun hat, ist hinlänglich
und seit langer Zeit bekannt. Open Source ist eine Herangehensweise, wie
man etwas kreiert. Es ist ganz natürlich, dass Menschen Ideen austauschen, auf ihnen
aufbauen und sie modifizieren. Dies wurde schon seit Urzeiten so gemacht und liegt in
unserer Natur. Richard Stallman vergleicht Computerprogramme mit Kochrezepten
(nach Hall 2003). Sie gehören zu denjenigen alltäglichen Dingen, die am ehesten mit
Software verwandt sind. Ein Kochrezept ist eine Liste mit Befehlen und Verfahren,
die ein Koch zu befolgen hat - analog zum Quellcode eines Programms. Jedoch genau
wie ein Rezept, verlangt ein Computerprogramm nach Freiheit - der Freiheit des
Modifizierens, des Verbesserns. Ein Kochrezept wird weitergegeben, verbessert, modifiziert
und ist letztendlich Teil der Kultur einer Gesellschaft. Ähnlich zu Rezepten
verhält es sich mit vielen anderen "Inhalten". Sie sind meist nicht auf einen Schöpfer
zurückzuführen, sondern ein Gemeinschaftsprozess. Selbst bei literarischen Werken
erfindet ein Autor das Werk nicht von Grund auf neu - es wird stets auf bereits Niedergeschriebenem
aufgebaut, stets werden Ideen ausgetauscht und weiterverarbeitet.
Mit zunehmender Vernetzung der Welt erreicht dieser Austausch eine bisher nicht
gekannte Blüte.
Ideen wollen frei sein - dieser Auffassung ist nicht jeder. Seit dem Aufkommen
des Internets wird diese Ansicht immer öfter angegriffen. Neben dem großen Berg
der Erfindungen, also jenen Ideen, die dem industriellen Nutzen dienen, sind es
auch die künstlerischen Inhalte, die vermehrt und verstärkt vom proprietären Modell
vereinnahmt werden. "Open Content" bezeichnet solche Inhalte, die gerade nicht
von einer Person oder Organisation im Zaum gehalten werden, sondern bei denen
die Weitergabe sowie in den meisten Fällen das Weiterverarbeiten erwünscht ist und
nicht verboten sind. Dieses Kapitel befasst sich mit diesen Inhalten und stellt dieser
Umgangsweise das derzeitig vorherrschende proprietäre Modell entgegen. Weiterhin
werden die unterschiedlichen Ausprägungen beleuchtet und anhand erfolgreicher
Projekte aus der Praxis vorgestellt, was in diesem Jahr musikalische und textliche
Inhalte sind. Dieses Kapitel soll natürlich über die stetig expandierende Bewegung
informieren. Es soll aber auch motivieren, selber daran teilzunehmen, da Ideen gerade
von ihrem Austausch leben und davon, dass sie weiterverarbeitet werden. [...]
Clemens Brandt studiert Informatik seit Oktober 2000 an der Universität Hamburg
und an der Technischen Universität Berlin.
Derzeitig nimmt er an einem Austauschjahr mit der
McGill University in Montréal, Kanada teil. Sein Schwerpunkt im Studium ist
Informatik und Gesellschaft und er hat für das Jahrbuch das Kapitel "Open Content" betreut.